Einleitung Einem Rotmilan ganz nah, sein schönes Gefieder wird detailgetreu sichtbar, ein ausdruckstarkes Portrait – alles Details zum Bild im Interview. Viel Spaß beim Lesen! Link zu meinen Kursangeboten.


0.Ein paar Fakten zum fotografierten Tier?

Rotmilan – Vogel des Jahres 2000, im Wesentlichen rein europäische Art, die hohe Anzahl in Deutschland ca.12000Brutpaare gibt uns hier eine besondere Verantwortung-denn der Rotmilan kommt nirgendwo häufiger vor als bei uns, Länge 65cm, Spannweite 170cm, Gewicht 1kg, 20Jahre, Zugvogel weg von Oktober bis März, Brutzeit April bis Juli, Eier 2-5, Nahrung Kleinsäuger Wirbellose Amphibien Aas Fische, monogam, häufigste Vogelart die durch Windräder ums Leben kommt.  

1. Kurzbeschreibung wer du bist? 

Mein Name ist Marcel Denkhaus, Jahrgang 1974. Meinen Lebensunterhalt und damit auch die Mittel für mein Hobby Naturfotografie verdiene ich als Unternehmensjurist.

Bereits als Jugendlicher hatte ich großes Interesse an Tieren, bzw. an der Tierbeobachtung, insbesondere Greifvögel üben bis heute eine große Faszination auf mich aus. Dementsprechend verbrachte ich viel Zeit in Feld und Wald, immer bewaffnet mit einem kleinen 8 x 21 Fernglas. Im Alter von 15 Jahren erwachte in mir der Wunsch, meine Beobachtungen auch dauerhaft festhalten zu können. Zu der Zeit weckte ein Cousin mein technisches Interesse für die Fotografie und so hatte ich bald darauf meine erste (Spiegelreflex-)Kamera.

Seitdem hat sich viel getan, nicht nur technisch, Stichwort Digitalkameras. Nach dem Studium, währenddessen ich praktisch nicht fotografiert habe, und mit dem Einstieg in das Berufsleben 2007 habe ich mich in meiner Freizeit immer intensiver mit der Naturfotografie beschäftigt und ständig an Erfahrung hinzu gewonnen – sowohl in technischer Hinsicht aber auch in Bezug auf mein Verhalten in der Natur sowie das Verhalten der Tiere. Wissen ist auch hier einer der Schlüssel zum Erfolg. Neben ganz viel Zeit, Leidensfähigkeit und einer großen Portion Glück.

Meine Motive suche und finde ich mittlerweile nahezu ausschließlich im unmittelbaren Umfeld meines Wohnortes. Warum weit reisen, wenn man die umliegenden 5 Kilometer noch nicht wirklich erforscht hat? Und ich finde auch auf „ausgetretenen Pfaden“ fast immer noch etwas Neues, Faszinierendes.

In jedem Fall gilt: Erst das Tier, dann das Foto. Und im Zweifel kein Foto. Als Fotograf ist man Gast in der Natur und im Idealfall verlässt man den Ort des Schaffens ohne Spuren zu hinterlassen.


2. Welches Tier foto-/videografierst du am Liebsten und war dein Tiermoment des Lebens? 

Ich habe keinen echten Favoriten. Greife in freier Wildbahn zu sehen und zu erleben beschert mir immer noch gelegentlich eine Gänsehaut, nicht nur, wenn ich das Auge am Sucher habe und den Vögeln optisch ganz nah bin. Aber ich kann mich ebenso an wildlebenden Säugetieren, anderen Vögeln und auch an Insekten und der Flora an und für sich erfreuen. Von daher erlebe ich auch immer wieder Momente in der Natur, die für Geld nicht zu haben sind.

Groß war meine Freude als es mir gelungen ist, im dritten Jahr hintereinander auf Texel endlich bei den Rohrweihen die Übergabe des „Brautgeschenkes“ zu erleben und zu fotografieren. Ein Bild, das jetzt großformatig in meinem Schlafzimmer hängt. Oder meine ersten formatfüllenden Aufnahmen eines jungen Mäusebussards in einer alten Eiche. Oder der Uhu, der mir, nachdem ich ihn entdeckt hatte und nur ein 100-400er dabei hatte, Zeit ließ um nach Hause zu fahren und das 600er + Extender und Stativ zu holen… usw.

Die hier gezeigte Begegnung mit einem Rotmilan ist für mich insoweit etwas Besonderes, als dass es die eine Sache ist, aus einer günstigen Gelegenheit heraus ein “besonderes” Bild zu machen. Eine ganz andere Sache ist aber, durch regelmäßige Präsenz über einen langen Zeitraum das Vertrauen eines an sich recht scheuen Wildtieres zu gewinnen und dadurch Gelegenheit zu haben, Einblicke in das natürliche, ungestresste Verhalten der Tiere aus unmittelbarer Nähe zu erhalten, beobachten und dokumentieren zu können.


3. Mit welcher Fotoausrüstung (Kamera und Objektiv) und Bildeinstellung (Belichtungszeit, Blende, ISO, KB Brennweite) entstand dein Bild/Video? 

Canon EOS-1D X Mark II, Canon EF600mm f/4L IS II USM, Canon Extender EF 2x III, 1/200Sek, f8,0, ISO800, Zeitautomatik mit Belichtungskorrektur +0,3 Blende, Gitzo GT5532LS + Sachtler FSB8, Drahtauslöser.


4. In welcher Position warst du beim Fotografieren – sitzend, liegend, stehend,…? Warst du getarnt? 

Das Foto entstand frei auf einer Weide stehend, ohne jede Tarnung (die regelmäßige Bekleidung mit einer Tarnjacke einmal aussen vor gelassen). Den Standort habe ich auch erst eingenommen, nachdem der Rotmilan auf den Ast eingeflogen ist. Das Tier hat die Annäherung zugelassen. 

Wobei “Annäherung” relativ ist: Die Bilder sind mit 1200mm Brennweite entstanden und sind zudem stark gecropped. Dennoch war ich nah dran, denn “normalerweise” liegt die Fluchtdistanz (mindestens) drei bis vier Mal höher. Näher kommt man praktisch nur mit einer fest installierten Tarnung ran.


5. Zu welcher Uhrzeit und Datum entstand dein Bild? 

Das Foto ist im April entstanden, gegen 08:30. Zu der Zeit ist die Sonne hier in der Gegend zumeist noch durch Höhenzüge und/oder hohe Bäume (partiell) verdeckt.


6. Wo entstand dein Bild? 

Heimatnah. Auch hier möchte ich keine näheren Angaben machen, da sich in unmittelbarer Nähe zum Aufnahmeort der Horst befindet. Ebenfalls wie bei den Schwarzstorchen erfolgt meine Tätigkeit dort in Kenntnis der UNB und des NABU (mit Vertretern von beiden stehe ich in regelmäßigem Austausch).


7. Welches Tier und welche Tätigkeit des Tieres ist zu sehen? 

Das Bild zeigt einen erwachsenen Rotmilan (das Geschlecht lässt sich anhand der Bilder leider nicht sicher bestimmten), der eine kurze Ruhepause inkl. Gefiederpflege einlegt, nachdem er (oder sie) zuvor Nistmaterial in den Horst eingebracht hatte. 

Im Grunde keine spektakuläre Situation. Aber für mich dann schon, denn zu erleben, wie nah mich das Tier an sich heran gelassen hat und dabei seelenruhig geblieben ist, war die Belohnung für die vielen Tage und Stunden zuvor. Das Tier war an meine Präsenz gewohnt (wie an eine Kuh auf der Weide ;-)) und “wusste” so, dass von mir keine Gefahr ausgeht. Das zu erreichen war der Schlüssel zu den Bildern.


8. Woher wusstest du das dieses Tier sich an diesem Ort aufhält? 

Jahre zuvor hatte ich per Zufall beobachtet, dass ein Rotmilan im Frühjahr mit Nistmaterial in dieses Waldstück eingeflogen ist. Der Rest war dann ein Selbstläufer. Seitdem bin ich im Frühjahr wenn es mir möglich ist regelmäßig dort.


9. Wie war der Moment vorbereitet oder passierte es spontan? Wolltest du genau dieses Tier fotografieren? 

Das Motiv im Sinne des Rotmilans war an diesem Morgen mein klares Ziel. Eigentlich wollte ich mal wieder Flugaufnahmen machen… dass er (oder sie) sich aber so schön auf einem passenden Ast präsentieren würde war nicht absehbar. 

Zu dem Spot muss gesagt werden, dass der Waldsaum dort über die vergangenen Jahre einen wirklich perfekten Ansitzast bot, der regelmäßig von den Rotmilanen angenommen wurde. Bilder davon waren mir jedoch bislang nur aus größerer Distanz möglich, ohne einen Fluchtreiz auszulösen. Eines Tages nach einem Sturm lag der Ast aber dann in der Weide. Seitdem nutzen die Milane eine ganze Reihe unterschiedlicher Äste, zumeist tief im Wald gelegen und fotografisch nicht erreichbar. Allein daher muss die Wahl an diesem Morgen als sehr glücklich bezeichnet werden.


10. Was fasziniert dich besonders am Tier? 

Greifvögel üben seit jeher einen besonderen Reiz auf mich aus. Erklären kann ich das nicht, aber ich habe eine tiefe Verbundenheit zu diesen Tieren. Während man z.B. Mäusebussarde hier schon immer in schöner Regelmäßigkeit sehen kann habe ich meinen ersten Rotmilan hier in der Gegend erst im Jahre 2008 gesehen. Um so mehr freut es mich, dass die Population an Rotmilanen hier mittlerweile durchaus als stabil zu bezeichnen ist und es offenbar auch mehrere Brutpaare gibt, die hierhin regelmäßig zurück kommen.

Auch ist die Größe der Rotmilane beeindruckend und die Art, wie sie regelmäßig vergleichsweise tief fliegend (“gaukelnd”) auf Beutejagd gehen eröffnet besondere Möglichkeiten für Tierfotografen. Dafür sieht man sie praktisch so gut wie nie auf Zaunpfählen oder Telegrafenmasten, wie es z.B. bei Mäusebussarden regelmäßig der Fall ist. Chancen auf Aufnahmen eines sitzenden Rotmilans sind daher eher selten und regelmäßig nur in Horstnähe oder an Luderplätzen möglich.


11. Was ist der wichtigste Tipp den perfekten Tiermoment zu erleben? 

Nimm‘ Dir Zeit, viel Zeit. Werde Teil der Natur. Trage Kleidung, die optisch dem Umfeld ähnelt und nicht raschelt, idealerweise eine Gesichtsmaske, verzichte (bis auf Deo vielleicht) auf alles was Tiernasen rümpfen lässt, beachte die Windrichtung, bewege Dich langsam und mit Bedacht und vor allem: Sei leise und höre zu. Viele meiner Bilder sind entstanden, weil ich die Tiere vorher gehört habe. Oder die Warnrufe anderer Tiere. Und genau diese wenigen Momente „Vorsprung“ entscheiden ganz oft darüber ob man überhaupt ein Bild macht oder ob ein Bild, eine Serie gelingt.

Naja, und was auch nicht verkehrt ist: Beherrsche die Technik, die Dir Bilder bescheren soll.


12. Durch wen wurdest du für die Tierfotografie inspiriert? 

Neben den eingangs ausgeführten Impulsen für den technischen Hintergrund der Fotografie war es weniger ein Mensch als vielmehr eine Ausgabe der „Fotografie draußen“ (später „NaturFoto“), die ich in einem Fotogeschäft als Werbeartikel mitgegeben bekommen habe. Ich war im Grunde sofort infiziert und im Abo hat mich die Zeitung über viele Jahre hinweg (bis zum Studium, da hatte ich anderen Lesestoff) inspiriert, wenngleich es noch viele viele Jahre gedauert hat, bis ich an die dort gezeigten Bilder Anschluss gefunden habe.


13. Werbung in eigener Sache – Referenz und Werbung für dich selbst angeben, z.B. Webseitenadresse, …? 

http://www.wildlifefotografie.net/


14. Manipulation: Hui oder Pfui?

Es kommt drauf an. Ideal ist natürlich, wenn das Bild so “im Kasten” landet, wie man es haben möchte. Aber in der Natur ist das häufig eine Illusion. Eine Folgen hinterlassende Manipulation der Umgebung lehne ich jedoch strikt ab. Die Natur ist so wie sie ist. Gelegentlich ist es für ein Bild erforderlich, mal einen Zweig aus dem Sichtfeld zu nehmen. Ein leichtes Biegen ist da für mich noch okay, da reversibel – aber niemals abschneiden oder abbrechen. Wenn ich den Ort verlasse zeugen im worst case meine Fußspuren in weichem Untergrund davon, dass hier jemand längere Zeit gestanden hat. 

Anders halte ich es mit der Bearbeitung meiner Bilder. Die ist ohnehin fester Bestandteil eines jeden Fotos, denn ich fotografiere ausschließlich in RAW. Am Rechner kann man dann mit den entsprechenden Tools zumeist auch die Dinge “beseitigen”, die einen im Bild stören. Das Sehen einige als unzulässige Manipulation. Ich hingegen halte es für ein probates Vorgehen, das im Vergleich zu manch anderer Maßnahme zur “Ergebnisoptimierung” regelmäßig das mildeste Mittel darstellt. So wurden auch auf dem hier gezeigten Bild optisch störende Zweige im unmittelbaren Umfeld zum Vogel in Photoshop im Rahmen einer recht aufwändigen Prozedur entfernt.


15. Wenn wir in die Zukunft schauen wie siehst du den Zustand deines abgelichteten Tieres in 30 Jahren bei uns in Deutschland? 

Rotmilane brauchen zum Brüten Hochwald. Der stirbt gerade in Folge der Dürreperiode der letzten (drei) Jahre. Beim Gang durch die hiesigen Wälder graut es mir schon jetzt vor dem was absehbare Folge der jüngsten Entwicklung ist. Zwar bin ich weder Biologe noch Wahrsager, aber gut sieht es weder für den Rotmilan noch für andere Lebewesen aus, die in unserer bislang gemäßigten Zone heimisch und auf die bisherigen hiesigen Gegebenheit angepasst sind.


16. Durch was verdienst du als Tierfotograf Geld oder ist es Hobby? 

Tier-/Naturfotografie ist für mich ein Hobby. Es ist ein Ausgleich für den Büroalltag und tief gehende Passion. 


17. Was ist dein nächster Wunschtiermoment? 

Nach wie vor steht der Eisvogel ganz hoch oben bei mir auf der Wunschliste. Seit dem letzten Interview hier habe ich zwar ein paar weitere Aufnahmen machen können, aber noch immer lässt DIE Aufnahme auf sich warten. Das ist aber auch gut so, denn der Weg ist in der Naturfotografie häufig das wahre Ziel und wie so oft fügen sich die Dinge auf ihre eigene Art. Die meiste Zeit des Lebens wartet der Naturfotograf bekanntlich vergebens, doch oftmals kommt man mit Aufnahmen von Begegnungen zurück, mit denen man nicht gerechnet hat. Und die ebenso glücklich machen.


18. Wer ist dein Fotografenvorbild? 

Ein Vorbild habe ich nicht. Es gibt so viele technisch gute Fotografen/innen, aber die bekanntesten sind zumeist auch die, bei denen allein die schiere Masse an “perfekten” Momenten und entsprechenden Bildern bei mir Zweifel aufkommen lassen, ob diese Bilder auch stets unter Wahrung des Tierwohls entstanden sind. Und das ist für mich das A und O. Von daher bin ich lieber selbst Vorbild für andere.


19. Was für eine Autofokuseinstellung hast du benutzt? 

An diesem Morgen habe ich zunächst Bilder über den Sucher gemacht, was bedeutet, dass der Servo-AF aktiv war. Im Anschluss habe ich dann auf Liveview gewechselt, was bei meinen settings an der EOS 1D X II One-Shot-AF bedeutet (Anmerkung: Die EOS 1D X II kann zwar im Liveview auch “Gesichtserkennung und Nachführ-AF”, aber wenn man Kontrolle über den Fokuspunkt will ist das aus meiner Praxis heraus keine Option)


20. Warst du im Serien- oder Einzelbildmodus? 

Serienbildmodus. Im Serienbildmodus kann ich mit entsprechender “Sensibilität” des Auslösefingers je nach Belieben Einzelaufnahmen oder eben Serien machen. Der reine Einzelbildmodus beschränkt mich da zu sehr, weswegen ich ihn so gut wie nie nutze.