Einleitung, dieses Mal ist es kein Tiermoment sondern eine Geschichte mit vielen eindrücklichen und besonderen Tiermomenten. Die Geschichte ist zwar lang, aber ich wollte sie nicht kürzen. Denn diese sehr eindrückliche Beschreibung der Fledermausaufzucht ist faszinierend, emotional und mitreißend. Daher wünsche ich viel Spaß beim Lesen dieser einmaligen Geschichte. Link zu meinen Kursangeboten.


Oberes Titelbild Willi beim Flugtraining, mittleres Bild Willi im Versteck, unteres Bild Wastl und Willi beim Schlafen

00. Vorweg ein paar Fakten zum Tier?

Fledermäuse kommen weltweit vor. In Mitteleuropa gibt es ungefähr 25Arten. Die Größe variiert je nach Art, Kopf-Rumpf Länge von 3-14cm und Spannweite bis zu 60cm bei einem Gewicht zwischen 2 und 200g. Sie besitzen eine Flughaut, was ihnen ermöglicht zu fliegen. Sie können schwarz-weiß sehen und verfügen über Echoortung. Sie ernähren sich von Insekten. Nachtaktiv. Sozial in Gruppen lebend. 

Niedrige Fortplanzungsrate. Meisten Arten 1Jungtier pro Jahr. Fledermäuse werden bis zu 30Jahre alt. Paarung in Winterquartier. Im Sommer sind die Weibchen in sogenannten Wohnstuben wo sie ihre Jungtiere zur Welt bringen. Fledermäuse halten Winterschlaf November bis März. Allerdings mit Unterbrechungen um sicherzustellen das das Winterquartier klimatisch nach wie vor gut passt.

Graue Langohrfledermaus: Kopf-Rumpflänge 6cm bei einer Spannweite von 27cm bei 10g Körpergewicht. Fluggeschwindigkeit bis 30km/h und 10m Höhe. Nahrung Schmetterlinge.  

Mückenfledermaus: Kopf-Rumpflänge 5cm bei einer Spannweite von 20cm bei 5g Körpergewicht. Kleinste europäische Fledermaus. Nahrung sind Mücken.


01. Kurzbeschreibung wer Sie sind und was sie machen?

Unser Name ist Bettina & Christian Kutschenreiter, beide 46 Jahre alt. Die Fotografie entdeckten wir zusammen vor etwa 18 Jahren. Seitdem widmen wir uns gemeinsam dieser wunderbaren Thematik. 


02. Und wie lautet die Geschichte der Fledermäuse “Willi” und “Wastl”?

Eigentlich sind wir generell an allen Aspekten der Naturfotografie interessiert. Aber ein Schwerpunkt ist zweifelsfrei die Biberfotografie. Wir haben diesbezüglich hier 2019 einen Artikel zum Thema Biber Rasselbande hier veröffentlicht (Link http://tiermoment.de/biberrasselbande-das-interview-mit-dem-biberfluesterer/). Nachdem wir uns aber auch in Sachen Natur- und Artenschutz engagieren und der Natur auch etwas zurückgeben wollen widmen wir uns auch gelegentlich der Pflege und Aufzucht von gefundenen, verletzten oder verwaisten Fledermäusen (mit amtlicher Genehmigung). So kommt es vor allem im Mai/Juni vor, dass wir bezüglich Fledermausfindlingen verständigt werden. So geschehen vor etwa 5 Jahren. Ich wurde zu einem kleinen landwirtschaftlichen Anwesen in LKR Miesbach gerufen. Dort angekommen wurde mir davon erzählt, dass morgens etwas undefinierbares, kleines Nacktes vor der Milchkammer am Boden lag und die Katzen daran reges Interesse gezeigt hätten. Dieses Etwas wurde dann in einen kleinen Schuhkarton gepackt und im Eingang bis zu meinem Eintreffen abgestellt. Wir hatten ja schon mehr als 100 Fledermäuse in Pflege aber ehrlich gesagt erschrak ich schon ein wenig bei dem Anblick: Die kleine Fledermaus war vielleicht 1-2 Tage alt, absolut nackt, hilflos und nur etwa so groß wie ein Fingernagel, mit einem Gewicht von weniger als 1g. Die Proportionen bei diesen Kerlchen lassen zu diesem Zeitpunkt absolut keinerlei Bestimmung zu, so nahmen wir uns natürlich sofort dem hilflosen Kerlchen an, es war ein Männchen (jeder der sich gerade fragt wie man das bestimmt, dem kann ich nur sagen, es sieht genauso aus wie bei uns Menschen auch, „nur“ entsprechend kleiner, also etwa so im 1mm Bereich). Es waren keinerlei äußere Verletzungen festzustellen, die Katzen waren wohl gnädig geblieben. Dies hat aber meist wenig Bedeutung, da oft auch innere Verletzungen vorliegen und selbst der kleinste, nicht sichtbare Kratzer von Katzen verursacht führt meist zu einer Infektion welche fast immer, trotz medizinscher Hilfe, leider zum Tode von Fledermäusen führt. Nachdem die kleinen Kerlchen extrem schnell dehydrieren und auch die Körperwärme nicht halten können steckte ich den Kerl vorsichtig in meine Brusttasche und eilte nach Hause. Die Aufzucht ist unheimlich aufwändig und mit allen Höhen und Tiefen versehen. Die Überlebenschance lag vielleicht bei 20%, dennoch ließen wir natürlich nichts unversucht und kein Aufwand war uns zu groß. Wir tauften die kleine Fledermaus „Willi“ und versuchten mit einer speziellen Mischung von Katzenmilch das erste Tröpfchen Milch einzuflößen. Das ist leichter gesagt als getan, denn es gibt keine Pipette welche so klein ist, dass diese geeignet wäre. Mäulchen und Nase liegen derart nahe beieinander, dass die Gefahr groß ist das Flüssigkeit in die Nase gelangt und das Tier erstickt, daher haben wir immer speziell selbst angefertigte Pipetten für diesen Zweck zur Hand, eine ruhige Hand, Erfahrung und mit viel Geduld schafften wir es dann auch, welch eine Erleichterung, das Häufchen Elend nahm unsere Hilfe dankend an. Natürlich ist es damit nicht getan, genügend Körperwärme ist unheimlich wichtig, für die Verdauung und Entwicklung, so lieben es die kleinen Fledermäuse in meiner nackten, fast zur Faust geschlossenen Hand ins letzte, hinterste und engste Eckchen zu kriechen, so dass diese überall maximalen Hautkontakt haben und schnell einschlafen. Das Muttertier leckt normal den Bauch und fördert die Verdauung, dies übernehmen wir mit einem Wattestäbchen, natürlich extrem vorsichtig um ja keine Verletzungen hervorzurufen. In diesem Alter musste Willi etwa alle 1-2Std. rund um die Uhr gefüttert und versorgt werden, an erholsamen Schlaf war also die nächsten Wochen nicht zu denken. Nachdem wir beide ganz normal arbeitstätig sind und wir uns nicht gegenseitig den Schlaf rauben wollten, schlief ich die nächste Zeit im Wohnzimmer auf der Couch, oder besser gesagt, dämmerte vor mich hin, mit Willi in der Hand in der ständigen Angst ja nicht meine Hand zu fest zu schließen. Nachdem dies natürlich kein Dauerzustand war, bastelte ich die nächsten Tage schnell eine „Fledermausheizung“ zusammen, temperaturgeregelt auf etwa 0.1-0.2°C genau in einer kleinen Box und schön kuschlig isoliert. Natürlich musst ich Willi samt Equipment, Futter, Wattestäbchen & Co. auch mit in die Arbeit nehmen um die Futterintervalle und Pflege sicherstellen zu können. Ein ganz großes Thema ist auch die Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen, sonst besteht die Gefahr, dass sich die Knochen nicht richtig entwickeln und verformen, so das u.U. bei falscher Pflege der Kerl nie fliegen können würde, sollte er denn überhaupt so lange überleben. Egal wie klein die Kerlchen auch sind, diese bemerken immer ob man Ihnen gutes will oder auch nicht und so entstand sehr schnell eine wirklich innige Beziehung zwischen uns. Er entwickelte sich nach einem anfänglichen Durchhänger sehr gut und schnell und nach ein paar Tagen bekam er auch den ersten hauchdünnen Flaum an Fell. Wenn ich mit ihm sprach und Ihn fütterte oder pflegte „antwortete“ er immer mit äußerst netten Soziallauten, diese sind wie bei allen Fledermäusen im für Menschen hörbaren Bereich und er liebte es in meiner Hand zu schlafen und zu kuscheln. Willi hatte offensichtlich auch immer rege Träume und er bewegte sich gelegentlich für etliche Minuten in meiner Hand, obwohl er schlief, im bayerischen sagen wir dazu „froazeln“, manch einer kennt dies vielleicht auch von kleinen Hundewelpen, die plötzlich im Schlaf strampeln. Die Tage vergingen und wir bekamen wieder einen Notruf, wieder ein nacktes Häufchen Elend, auch hier blieb der Versuch das Jungtier wieder der Mutter anzubieten (warme Flasche, mit einem Strumpf überzogen, in einer Schale stehend, welche in der Nähe des Fundortes abends aufgestellt wird, gelegentlich hört die Mutter die Rufe des vermissten Jungtieres, fliegt das vermisste Fledermausbaby an, lässt es auf den Bauch klettern und bringt es fliegend in die Wochenstube zurück. Leider jedoch funktioniert dies nur sehr selten, so dass wir uns dann weiterhin um den Findling kümmern müssen) Es war wieder ein Männchen, etwa eine Woche alt und vermutlich eine Pippistrellus Art, wir tauften das Kerlchen „Wastl“, welchem sich vor allem meine Frau widmete. Wochentags musste ich mich in der Arbeit natürlich nun um beide Kerlchen kümmern, so dass beide Findlinge auch gemeinsam von nun an aufwuchsen und sich aneinander gewöhnten, sich gegenseitig wärmten und schliefen. Junge Fledermäuse beißen sich häufig im Fell der Mutter fest, um nicht verloren zu gehen, dummer Weise tun sie das auch im ersten zarten Fell eines weiteren Pfleglings. Die beiden dann zu trennen endet immer in einem großen Gezeter und Aufregung. Daher haben wir für solche Problemfälle extra eine Art „Fledermausdiezl“ entwickelt, der das verhindert. Obwohl beides völlige unterschiedliche Arten waren (Willi war offensichtlich ein Langohr) tat dies keinen Abbruch, beide wurden unzertrennliche Freunde. Wenn wir einen fütterten und aus der Box nahmen, fing der andere sogleich an klägliche Soziallaute von sich zu geben, erst, wenn beide wieder zusammen waren, legte sich das wieder. Sie entwickelten sich abgesehen von einigen bangen Momenten starker Verdauungsstörungen oder sogar Durchfall prächtig. Wir begannen langsam diese zu entwöhnen und auf feste Nahrung umzusteigen. Dies ist immer sehr problematisch, denn erstens woher die ganzen Insekten nehmen, welche für die Kerlchen genießbar sind und wie bringt man Ihnen das bei. Bei schlechtem Wetter fliegen quasi keine Insekten, sind geschweige denn auch gar nicht zu fangen, so bleibt als Notlösung anfangs oft nur die Verpflegung mit Mehlwürmern. Dies bringt jedoch weitere Problem, Fledermäuse kennen Mehlwürmer als Nahrungsquelle nicht und abgesehen davon sind viele nicht in der Lage, vor allem in dem Alter den harten Chitin Panzer zu durchbeißen, dazu kommt auch noch das Mehlwürmer ungerne gefressen werden wollen und so auch gelegentlich sich an den Lippen o.ä. der Fledermäuse festbeißen können. Spätestens wenn so etwas passiert verweigern die Kleinen fortan jeglichen Mehlwurm, welch ein Mist, daher kann man für die nächste Zeit nur das Innere der Mehlwürmer als Paste verfüttern, selbstverständlich wird zu allem Überfluss auch noch der Darm verweigert und ohne den Brei mit ein paar Tropfen der altbekannten und geliebten Milch zu vermischen hat man keine Chance die Umstellung in den Griff zu bekommen, die Kleinen drehen den Kopf zur Seite und verweigern offensichtlich jegliche Nahrungsaufnahme. Hinzu kommt, dass auch hier extrem auf ein ausgewogenes Verhältnis von Mineralien geachtet werden muss, sonst kommt es zu den irreparablen Knochenverformungen, also wie immer ein riesengroßer Aufwand, aber was macht man nicht alles. Zu diesem Zeitpunkt wurden beide in ein großes Flugzelt umquartiert, beide waren vollständig behaart, krabbelten schon fleißig umher und versuchten auch mal ihre kleinen Flügelchen auszustrecken, ein gutes Zeichen. Die Fledermausheizung war nach wie vor unabkömmlich, die Fütterungszeiten konnten auf 4-6h ausgedehnt werden. Es war mittlerweile offensichtlich, „Willi“ war eine Langohrfledermaus, der Name ist Programm und zweifelsohne, er war die knuffigste Fledermaus die wir je hatten. Jedes dieser Tierchen hat seinen ganz eigenen Charakter, Persönlichkeit und Verhaltensweisen, dass wir uns vermutlich niemand glauben, aber so ist es wirklich. Die Rückwand des Flugzeltes war auch innen mit einem dicken schwarzen Filz abgedunkelt um die Helligkeit tagsüber auf ein Minimum zu reduzieren. Natürlich gab es in dem Filz auch Falten und Wastl bevorzugte es sich immer in einer der Falten hineinzulegen, wie in einer Hängematte, wenn wir die Tür oder den Reißverschluss öffneten, hob er sein Köpfchen und lugte immer ganz vorsichtig über die Falte und beobachtete genau was vor sich ging und ob es endlich wieder Fütterungszeit war, schon kraxelte und lief er uns entgegen. Willi hörte auf seinen Namen, sobald wir Ihn riefen, kam er uns auch schon entgegen, fiepte und holte sich sein Quäntchen Futter, Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten. Willi liebte es nach wie vor sich in meine warme Hand zu legen, wenn ich diesen ganz vorsichtig in seinem Nacken kraulte, klappte er seine langen Ohren wie für diese Art üblich unter seine Flügel um diese zu schützen (Schlafstellung), schloss seien Augen und schlief wirklich in weniger als einer Minute ein. Wenn ich das Kraulen fortsetzte begann er zu vibrieren, man kann dies nicht hören, fühlt sich jedoch so an wie eine schnurrende Katze, das ist der Ausdruck größten Wohlbehagens, den eine Fledermaus gegenüber einem Menschen zeigen kann. Es ist schon unglaublich welches Vertrauen auch so kleine Fledermäuse in uns setzen, für naturverbundene Menschen wie uns ein absolut unvergessliches und einmaliges Erlebnis. Beide wurden älter, die Mehlwurmpampe schmeckte mittlerweile auch ohne Milchzusatz. Immer öfter konnte ein „Systemcheck“ beobachtet werden. Dabei werden die Flügelchen gestreckt, geputzt, abgeleckt und gepflegt und sogar schon versucht ein wenig zu flattern. Dies ist natürlich extrem unbeholfen und auch nicht von Erfolg gekrönt, aber es wurde Zeit echte Insekten zu füttern. Natürlich gelingt der Fang nur nachts mit einer speziellen UV-Lampe, morgens wird dann grob aussortiert und dann versucht man diese an die Fledermäuschen zu verfüttern. Mit der Wehrhaftigkeit der Insekten haben alle kleinen Fledermäuse anfangs Ihre Probleme, lange sich bewegende Fühler oder gar Geflatter erschreckt diese, so dass man schon viel Geduld benötigt das erste echte lebende Insekt verfüttert zu haben. Sollte dies gelingen, setzt sehr schnell ein echter Jagdtrieb ein und die Mäuschen entwickelten sich zu echten Tigern welche angebotene Insekten regelrecht erlegten, bis auf die Flügel, die werden nie mitgefressen. Wir hätten ehrlich gesagt nie geglaubt, Willi je so weit aufziehen zu können, umso dankbarer waren wir dafür. Wir begannen nun das Flugzelt mit Ästen, Büschen, hohlen Baumstämmen etc. auszustatten um die beiden bestmöglich für die Auswilderung vorzubereiten. So möchte es man nicht glauben, aber die eigenen Klettergeräusche der scharfen kleinen Krallen auf der Baumrinde erzeugt relativ laute Kraxelgeräusche, vor denen diese Mäuschen selbst erschrecken und anfangs Angst haben auf der Rinde herum zu klettern, bald gibt sich das und so erkundeten diese unseren künstlichen Miniwald, auch das Laub ist Ihnen fremd so muss alles erst mühsam erforscht und erkundet werden, es ist bewegend miterleben zu dürfen wie dies von statten geht. Eine Baumhöhle ist anfangs eine extreme Bedrohung, keine Chance eines der Mäuschen motivieren zu können sich da hinein zu begeben. Es dauert Tage, aber Wehe, wenn dies endlich geklappt hat wird es nunmehr ein Problem die Kerlchen auch wieder für die Fütterung da heraus zu bekommen. Nachdem man natürlich nicht immer stundenlang Zeit dafür hat, haben unsere Baumhöhlen einen Hintereingang um die Sache vereinfachen zu können. Die kleinen begannen nun mit den ersten echten Flugübungen. Irgendwo hängend am Flugzelt einem Gebüsch aus wenigen Zentimeter Höhe versuchen sie abzufliegen, was meist immer in einem „Bauchplatscher“ endet (ein kläglicher Anblick anfangs, daher ist der Boden immer mit Handtüchern ausgelegt um etwaige unsanfte Landungen möglichst zu vermeiden), oder eben diese legen sich flach auf den Bauch auf den Boden, strecken beide Flügelchen aus und versuchen dann sich damit vom Boden abzustoßen und wegzufliegen. Wenn ersteres schon nicht klappt dann klappt Zweiteres natürlich erst recht nicht. Es ist schon mitleiderregend diese ersten Versuche zu beobachten, aber nach ein paar Tagen, klappt es dann plötzlich, der erste Flug über einen halben Meter und man sieht wie es ihnen offensichtlich Spaß macht, zack, wieder zurückklettern und nochmal und ehe man sich versieht schaffen diese schon Flugstrecken von wenigen Metern. Spätestens dann wird in das große Flugzelt umgezogen, da sind Flugstrecken von 6-7m ohne weiteres möglich und es ist unglaublich wie schnell die kleinen Fledermäuse lernen zu fliegen. Die Kondition ist anfangs ein großes Problem, erst, wenn diese mindestens 20 Minuten permanent fliegen können ist an eine Auswilderung zu denken, vorher nicht. Also begann von nun an unser tägliches Flugtraining, in den Flugzelten oder je nach Witterung auch im Flur, alles zugehängt und ausgelegt mit Handtüchern und nach dem Belohnungsprinzip wird gefüttert. Obwohl beide körperlich noch nicht voll ausgebildet waren konnten wir mit Ultraschallmikrofon, Messschieber und spezieller Bestimmungsliteratur feststellen, dass Willi ein graues Langohr war, eine extrem seltene Fledermaus hier im Süden. Aber auch Wastl war eine Besonderheit, eine Mückenfledermaus, eine Art welche erst vor ein paar Jahren in Deutschland entdeckt wurde. Willi entwickelte sich zum absoluten Flugkünstler, wenn wir Ihn riefen und eine Hand ausstreckten, landete er darin und ließ sich sogleich kraulen bis er wieder die Ohren einklappte, einschlief und schnurrte, was für eine knuffige und liebenswerte Fledermaus. Oder aber, wenn wir im Flug Zelt saßen und die Fortschritte beobachteten, flog er regelmäßig direkt und so nahe vor unser Gesicht, blieb im Flug stehen und rüttelte, so dass ein scharfstellen mit unseren Augen nicht mehr möglich war, erst leichtes Anpusten, bewegte Ihn wieder weiterzufliegen. Natürlich landete er auch irgendwo an uns, kraxelte umher, flog wieder weg oder ruhte sich auch aus. Willi wog nun immerhin schon 6g und Wastl um die 4-5g. Ihre Körper war nicht einmal Daumengroß und die Spannweite etwa so um die 20cm. Wir begannen nun die Insekten im Flug Zelt freizulassen um die Jagdtriebe der beiden zu fordern und anhand der am Boden liegenden Flügel und einer Feinwaage konnten wir kontrollieren ob dies auch von Erfolg gekrönt war. Die Tage vergingen und wir mussten uns nur ernsthafte Gedanken um die Auswilderung machen. Nachdem beide nach wie vor unzertrennlich waren beschlossen wir auch beide gemeinsam an Willis Fundort aus zu wildern. Wir gewöhnten daher beide an einen kleinen Fledermauskasten, auf dem Dach ausgestattet mit einer kleinen Notration Mehlwürmer und Wasser. Irgendwann ist es dann soweit, man spürt wie die Tiere in die Freiheit wollen, einen unbändigen Drang danach haben, sie legen dann auch einen Teil der Kindlichkeit ab und beginnen sich ein wenig anders zu verhalten, dann geht es eigentlich nur noch darum sicherzustellen, dass die Kondition passt und eine gute Wetterperiode für die Auswilderung vorhergesagt wird. Natürlich ist dies der Moment auf den man so lange und hingebungsvoll hingearbeitet hat, aber es ist zugleich der schwerste. Wir möchten gar keinen Hehl draus machen, dass nicht schon vorher die Augen feucht geworden sind. Dann war es nach zwei Monaten soweit, Willi und Wastl waren im Fledermauskasten, wir haben diese dann unten verschlossen, Wasser und Mehlwürmer und eine lange Teleskopleiter eingepackt und sind zeitig vor Sonnenuntergang zu der kleinen Landwirtschaft gefahren, haben alles vorbereitet und der Familie „Wastl“ und „Willi“ vorgestellt. Obwohl dort schon vermutlich seit Jahrzehnten eine Wochenstube mit jungen Fledermäuse hauste, haben diese auch noch nie so eine Fledermaus nahe gesehen, erlebt, gestreichelt und waren fortan schließlich hin und weg von deren Charme. Wir haben dann den Fledermauskasten aufgehängt, das Handtuch mit dem der Eingang verschlossen entfernt und gewartet. Es war kurz nach Sonnenuntergang, als man das erste Kratzen im Kasten von dem Herumklettern hören konnte. Gerade noch wahrnehmbar lugte ein Köpfchen unten raus, zögerte minutenlang und flog dann heraus, drehte viele Orientierungsrunden (es war Willi) und verschwand dann aus dem Blick. Auch Wastl traute sich wenige Minuten später heraus, machte ebenso einige Orientierungsflüge und verschwand dann ebenso in der Dämmerung. Spätestens jetzt flossen nach echte Tränen und natürlich wünschten wir beiden alles Gute für die Zukunft. Normalerweise wäre hier Schluss mit der Geschichte, doch nicht so bei Willi. Etwa 6 Wochen später fuhren wir abermals dorthin, wollten nach dem Rechten sehen und den Fledermauskasten wieder abholen, vorsorglich hatten wir Wasser, Mehlwürmer und die Leiter eingepackt. Ich leuchtete am frühen Abend von unten in den Fledermauskasten und wir trauten unseren Augen nicht, da war eine Fledermaus drin, natürlich konnten wir nichts genaueres dazu sagen, also schnell die Leiter aufgestellt, Wasserpipette und Mehlwürmer eingepackt, vorsichtig raufgeklettert und leise wie üblich gesprochen: „Komm Willi, geh weiter ich hab was für Dich dabei“, nach ein paar Wiederholungen, hörten wir das Kratzen einer herumkletternden Fledermaus im Kasten und plötzlich kam Willi heraus, kletterte schnurstracks in meine Hand, stärkte sich mit ein paar Mehlwürmern und verschwand dann wieder im Fledermauskasten. Wir waren und sind seitdem zu tiefst bewegt, Willi führte sein eigenes selbständiges Leben, offensichtlich hatten wir Ihn gut darauf vorbereitet und dennoch hat er uns viele Wochen später noch immer an der Stimme erkannt und sich ein paar Mehlwürmer abgeholt. Wir haben schon über 100 Fledermäuse versorgt, aufgezogen und ausgewildert, aber Willi war zweifelsohne die knuffigste, netteste, schlauste und einmaligste Fledermaus die wir je hatten, aus diesem Grunde haben wir Ihn natürlich nie vergessen. Bis heute haben wir noch immer Kontakt mit der Familie und gelegentlich, wenn diese eine Fledermaus fliegen sieht, bekommen wir eine Nachricht, dass „Willi“ wieder unterwegs sei. Der ein oder andere wird sich vielleicht fragen, warum und wozu der ganze Aufwand, es ist ja ehrenamtlich, alles auf eigene Kosten, keinerlei Unterstützung, von niemandem, insbesondere nicht von den zuständigen Ämtern. 

Es sind derartige absolut unbeschreibliche Erlebnisse und Momente die einen dazu bewegen so etwas zu tun, hinzukommt, das sich Fledermäuse nur einmal im Jahr mit meist nur einem Jungtier reproduzieren. In einem verregneten und kalten Mai/Juni kann eine ganze Generation von jungen Fledermäusen sterben und die wohl mit faszinierendsten Tiere unserer Heimat können über 30 Jahre alt werden. Vielleicht hat ja Willi ein paar nette „Mäuse“ klar gemacht und für den Fortbestand dieser sehr seltenen und vom Aussterben bedrohten Art gesorgt und wer weiß, vielleicht überlebt er uns ja sogar noch.

Natürlich haben wir auch ein paar Flugaufnahmen von Willi und seinem Spezl Wastl gemacht, in unseren Vorträgen verteilen wir auch Postkarten davon um den Besuchern ein positives Andenken daran mitgeben zu können.


03. Mit welcher Fotoausrüstung (Kamera und Objektiv) und Bildeinstellung (Belichtungszeit, Blende, ISO, KB Brennweite) entstand das Bild/Video?

Nikon D4, 105mm f/2.8 Makro Objektiv, ISO 640


04. Zu welcher Uhrzeit und Datum entstand das Bild?

03.08.2015, ca. 22.00Uhr


05. Wo entstand das Bild?

Beim Konditions- und Ausdauertraining.


06. Welches Tier und welche Tätigkeit des Tieres ist zu sehen?

Ein graues Langohr Männchen, bei einer seiner Flugrunden.


07. Wie war der Moment vorbereitet oder passierte es spontan?

Trotz Vorbereitung kann man das Ergebnis nicht steuern, es gehört nicht nur Erfahrung, sondern auch viel Glück mit dazu.


08. Was fasziniert Sie besonders am Tier?

Diese unglaubliche Luftakrobatik, die einmalige Jagdmethodik und Lebensart, die kognitiven Leistungen und Intelligenz (Fledermäuse sind mindestens so intelligent wie Hunde), das phänomenale Ultraschallecholot, das absolut einmalige Vertrauen in uns, all die unzähligen bangen und auch schönen Stunden zusammen, dass wir es trotz aller Widrigkeiten dennoch geschafft haben den kleinen nackten und hilflosen Fledermausfindling erfolgreich auswildern zu können und er sich auch viele Wochen später noch immer an uns erinnert, auf Ansprache aus seinem Quartier klettert um sich noch schnell ein paar Mehlwürmer abzuholen 😉


09. Erfinde selbst zum Tiermoment eine Frage die Sie interessant finden und beantworten diese? 

Es beschäftigt uns bis heute ob er noch lebt und ob er uns ggf. noch immer wiederkennen würde und nach tausenden Stunden ehrenamtlicher Fledermauspflege sind wir der Meinung, dass wir beides mit Ja beantworten können.


10. Was ist der wichtigste Tipp den perfekten Tiermoment zu erleben?

Die Tiere lernen/erkennen sehr schnell ob man diesen etwas Böses will oder nicht. Wenn man gelernt hat die Verhaltensweise der Tiere zu verstehen und auch zu interpretieren, sich die Zeit nimmt die man benötigt sind dies sicherlich die besten Voraussetzungen den perfekten Tiermoment zu erleben. Dabei steht das Wohl des Tieres im Vordergrund, d.h. wir verzichten auch lieber einmal auf ein einmaliges Foto, bevor wir damit Schaden anrichten oder die Tiere beunruhigen. 


11. Wer ist ihr Vorbild für Naturtierfotografie?

Wir haben im Laufe der Zeit mit unserer Tätigkeit nur etwa eine Hand voll wirklich interessanter und bemerkenswerter Persönlichkeiten kennen gelernt. Diese haben uns nicht nur technisch entsprechend beeinflusst, sondern hauptsächlich in unserer grundlegenden Einstellung und unserem Engagement.


12. Was fasziniert Sie an der Natur?

Ehrlich gesagt einfach nur alles. Es ist unbeschreiblich was man in der freien Natur alles lernen und erleben kann.


13. Durch was verdienen Sie als Tierfotograf Geld oder ist es Hobby?

Es begann als Hobby. Mittlerweile veröffentlichen wir regelmäßig unsere Bilder in verschiedensten Medien und versuchen das leider meist völlig zu Unrecht negative Image der Fledermäuse und auch der Biber in der Öffentlichkeit mit einmaligen Vorträgen zurecht zu rücken. Nur wenige Personen können von der Naturfotografie in Deutschland wirklich leben. 


14. Wenn wir in die Zukunft schauen wie sehen Sie den Zustand der Natur in 30Jahren bei uns in Deutschland?

Wir engagieren uns sehr vielfältig, wir kartieren Vögel und Fledermäuse, pflegen und ziehen verletzte Fledermäuse auf und wildern diese wieder aus, halten viele Vorträge und verbringen unsere Zeit meist in der freien Natur. Jedoch stehen die Zeichen wirklich nicht zum Besten. Leider machen wir täglich die Erfahrung, dass hier im Süden der Natur- und Artenschutz das Papier nicht wert ist auf dem er geschrieben steht, darüber könnten wir schon ganze Bücher schreiben. Umwelt Straftatbestände werden von Ämtern oder Behörden gar nicht erst verfolgt oder dann letztlich eingestellt und sogar bei unserem ehrenamtlichen Engagement in Sachen Fledermäuse werden uns massive Probleme von Amtsseite bereitet, Tollwutschutzimpfungen werden trotz Anspruch einfach abgelehnt, Jäger welche in aller Öffentlichkeit damit drohen unsere mit zur Auswilderung besetzten Pfleglingen und selbst gekauften Fledermauskästen herunter zu schlagen werden trotz der Anwesenheit von amtlichen Fledermausbeauftragten und weiteren Mitarbeiter nicht einmal in die Schranken verwiesen, Fahrgenehmigungen werden plötzlich grundlos widerrufen etc. pp. Naturschutz ist nur gewünscht und wird medienwirksam propagiert, solange dieser nichts kostet, niemanden einschränkt und dieser nicht die Interessen von einschlägigen Gruppierungen wie z.B. Industrie, Land-, Forst- Jagd- und Fischwirtschaft verletzt. Unterm Strich nimmt die Artenvielfalt und die Populationsdichte leider immer mehr ab (mittlerweile haben wir sogar echte Probleme genügend Insekten fangen zu können) egal worum es sich handelt und es werden keine wirksamen Maßnahmen ergriffen die Geschwindigkeit mit der das passiert zu verlangsamen, geschweige denn den Trend umzukehren. Pro Dekade erhöht sich die Anzahl der vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten der roten Liste seit Jahrzehnten konstant um 10%. Daher wird es wohl leider mit dem Artenschwund, bis auf ein paar ganz wenige Ausnahmen so weitergehen. Der Mensch zerstört beständig seine Lebensgrundlagen in allen Bereichen und wir befürchten dies wird leider auch so weitergehen.


15. Werbung in eigener Sache – Referenz und Werbung für sich selbst angeben, z.B. Webseitenadresse, …?

www.christian-kutschenreiter.de und www.biber-info.de